Erster Halt Camping Sarajevo
Ab in die Hauptstadt. Wir entscheiden uns für den Camping Sarajevo im westlich gelegenen Vorort Ilidža. Bereits zwei Tipps haben wir hierzu erhalten. Ein super nettes Ehepaar führt den kleinen Campingplatz mit großer Begeisterung. Auch sie sind einst dem Schicksal des Bosnienkriegs entflohen und konnten nach einigen Jahren in Freiburg wieder zurück kehren. Ihre aufgebaute Firma haben sie eines Tages verkauft und damit den vollen Fokus dem seit 8 Jahren bestehenden Campingplatz gewidmet. Mit 40 Stellplätzen ist alles familiär gehalten und sehr angenehm.
Mit dem Zug in die Stadt
Die Modernisierung der Tram und die damit einhergehenden Ausfälle haben einen Bahnhofhalt in Blažuj herbeigeführt – gerade einmal 11 Minuten Fußweg Entfernung.
Zugfahren ist definitiv ein Erlebnis. Nachdem wir die Unterführung der Autobahn gemeistert hatten, erklärt uns eine Frau, dass hier kein Zug nach Sarajevo fährt. Wenige Sekunden später stellte sich das als Fehler heraus. Wir hieven den Kinderwagen über das verlassene und grün überzogene Gleis 1 um dann über eine unebene Hoppelwiese zum richtigen Gleis zu gelangen. Der Zug fährt mittlerweile ein, man signalisiert uns durch beruhigende Handbewegungen aber Ruhe und Ferne von Eile. Der provisorische, etwa 10 Meter lange Bahnsteig steht neben dem Gleis und deckt nur zwei der Türen im Zug ab. Wir springen rein und wissen noch gar nicht ob wir ein Ticket hätten kaufen müssen. Das gibt’s beim Schaffner in guter alter Manier. Von Hand wird das Ticket ausgestellt inklusive Durchschlag. Egal ob Schaffner, Zugbegleiter oder Bahnhofspersonal: alle sind hilfsbereit beim Ein- und Aussteigen, sehr lieb zu den Kindern und freundlich.
Zwischen Krieg und Neuzeit
Überall im Land aber besonders in Sarajevo sind die Spuren des Kriegs erkennbar. An vielen Gebäuden sind die Einschusslöcher und andere Schäden noch heute zu sehen. Auch an Bauruinen fährt man häufig vorbei. Wegen der hohen Zinsen und der geringen Einkommen sind nicht fertiggestellte Bauten oft normal, denn die Gebäude werden mühsam nach verfügbarer, finanzieller Möglichkeiten weitergebaut. In der Stadt gibt es verschiedene Museen, die wir mit den Kindern natürlich leider nicht besuchen können. Ein großer Schriftzug “Remembering Srebrenica” prangert an einem zentral gelegenen Hochhaus in der Mitte Sarajevos. Es erinnert an einen der fürchterlichsten Teile der kriegerischen Auseinandersetzungen, bei dem im Juli 1995 in dem kleinen Ort Srebrenica ganz im Osten des Landes über 8.000 Muslime ermordet wurden.
Modernisierungsanstrengungen in Sarajevo
Die Zerstörung im Krieg und die Fluchtbewegungen haben Sarajevo an vielen Stellen zurück geworfen. So findet man heut noch eine der ältesten Straßenbahnen Europas in der Stadt. Seit 2021 wird diese grunderneuert und soll ab Herbst 2023 bis Mitte 2024 schrittweise in Betrieb gehen. Die erste und bisher einzige, teilweise fertig gestellte Autobahn des Landes A1 wurde in Abschnitten erst seit den frühen 2000er Jahren für den Verkehr freigegeben. Auch in Sarajevo ist die Modernisierung zentraler Straßen ein Thema.
Natürlich stellt eine dieser Baustellen für Till das erste Highlight der Stadt da. Wir schauen zu, wie der Grader vom Tieflader abgeladen wird und Till strahlt als der Fahrer ihn in die große Maschinen sitzen lässt. Als dann auch noch der Wettkampf unter den Bauarbeitern losgeht und Till auch noch in die tatsächlich recht große Straßenwalze darf, ist unser klein Spatz im Glück. Mein kleines, finanzielles Dankeschön wollen die Männer erst ablehnen. Als ich es dann aber auf dem Radkasten des Graders zurücklasse scheint beim Zurückblicken die Freude aufs Feierabendbier gekommen zu sein.
Vom Bahnhof quer hindruch zur Altstadt
Vom Bahnhof ist es ein Fußweg von guten 1,5km bis zum Beginn des Stadtzentrum. Der Kernteil zieht sich in länglicher West-Ost-Richtung etwas mehr als einen Kilometer lang und endet mit der Altstadt, der Baščaršija. Der Weg führt uns an einigen schön angelegten Parkanlagen vorbei und über große Plätze. Die eigentliche Innenstadt kommt dann eher klassisch daher mit Einkaufsstraßen und überschaubar viel Grün. Der Fluss Miljacka bietet definitiv noch mehr Potential um ins Stadtbild integriert zu werden. Die großen und recht viel befahrenen Straßen machen dieses Unterfangen aber nicht sehr einfach. Ein (nicht ganz ernst gemeintes) Highlight: der dm Markt mit jeder Menge gewohnter Kinderprodukte. 🙂
Hier in der Stadt kann man die verschiedenen ethnischen Zugehörigkeiten auf engstem Raum erkennen. Wir hören zur Abendzeit das Gebet vom Minarett in der Umgebung und auch in der Stadt begegnen uns gleichermaßen große Kirchen und Moscheen. Immer wieder gesellen sich zwischen die für Hauptstädte sonst eher niedrigeren Gebäude einzelne historische Bauten.
Wir genießen beim Bäcker Kaffee und erstaunlich gute Croissants, verweilen im Schatten der Bäume und schlendern gemütlich durch die vielen Gassen und Winkel.
Die Baščaršija
Die Baščaršija ist ein Basar, der aus vielen kleinen Läden und Lokalen besteht. Gleichzeitig steht der Begriff für das historische Stadtzentrum Sarajevos. Wikipedia erklärt die Herkunft des Wortes wie folgt: “Baš bedeutet so viel wie „Haupt“ oder „primär“, während čaršija das türkische Wort für Basar oder „Markt“ ist.”[1] Streng genommen bezeichnet sie nur den Marktplatz. Es hat sich aber eingebürgert, das gesamte Stadtzentrum und den Basar damit zu bezeichnen.
Uns gefällt der Basar mit seien hunderten, kleinen Läden, Gastronomien und Unterhaltungsprogrammen ausgesprochen gut. Positiv fällt uns auf, dass man nicht an jeder Ecke angequatscht wird sondern das Treiben der Einheimischen und Touristen auf sich zukommen lassen kann. Auf dem Marktplatz steht der Brunnen Sebilj. Während das ursprüngliche Exemplar aus dem 18. Jahrhundert abgebrannt ist, ziert dieser Brunnen seit Ende des 19. Jahrhunderts den Platz. Der Name stammt aus dem türkischen und steht für die Bedeutung des Brunnen, kostenlos Wasser an Reisende zu verteilen. Man sagt, wer aus diesem Brunnen trinkt kehrt eines Tages nach Sarajevo zurück.